Ausstellung im Landratsamt des Enzkreises (Eingangshalle), Zähringerallee 3, 75177 Pforzheim, Dauer: 15. Mai 2023 bis 13. Juli 2023
Eröffnung: Montag, 15. Mai 2023, 19:00 Uhr
Öffnungszeiten:
Dienstag 8:00–12:30 Uhr und 13:30–18:00 Uhr
Donnerstag 8:00–14:00 Uhr
Eintritt frei, Führungen auf Anfrage
Kontakt: Kreisarchiv des Enzkreises, 07231 308‑9423, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web-Portal ab 15. Mai 2023: www.enzkreis-geschichte.de
Unter dem Ausstellungstitel „Sterben und Leben. Der Dreißigjährige Krieg zwischen Kraichgau und Schwarzwald“ schafft das Kreisarchiv des Enzkreises im Landratsamt Zugänge zum Leben der Menschen im Großraum Pforzheim zwischen 1618 und 1648 und gibt den Besuchern einen Einblick in die Konflikte dieser Zeit. Für die Region existiert bislang keine Gesamtdarstellung zum Dreißigjährigen Krieg, weshalb eine umfangreiche Buchpublikation in Vorbereitung ist, die auch die Referate einer wissenschaftlichen Tagung (24./25. Mai 2023) enthalten wird. Im Begleitprogramm zur Ausstellung gibt es außerdem einige Vorträge und Exkursionen. Mit Ausstellungsbeginn geht das neue Portal „Enzkreis-Geschichte“ online, dessen erster Baustein der Dreißigjährige Krieg bildet: Dort werden Hunderte von archivalischen Quellen und Kirchenbucheinträge in Form von Transkriptionen und außerdem Diagramme zu Verstorbenen sowie zu Bürger– und Gebäudeverlusten gezeigt. Aufsätze, Videos, Karten und Tabellen runden die reich illustrierte Präsentation ab.
Pieter Snayers (1592–1667): The Sack of a Village (Private Collection); Photo © Fine Art Images.
Der interessierten Öffentlichkeit wird über mehrere Themenfelder Zugang zu den regionalen und lokalen Ereignissen und Bedingungen dieses katastrophalen europäischen Krieges geboten, dessen Beginn zwar stark von konfessionellen Gegensätzen geprägt war, die im Laufe der Jahre jedoch mehr und mehr in den Hintergrund traten. Das Hauptaugenmerk des Projektes liegt dabei auf den Lebensbedingungen und Überlebensstrategien der Einwohnerschaft, also des sogenannten „einfachen Volkes“ in den Städten und Dörfern des Großraumes Pforzheim, der ehemals badische, württembergische, kurpfälzische und reichsritterschaftliche Gebiete umfasst. Obwohl sich hier keine größeren Schlachten ereigneten, erlitten zahlreiche Städte und Dörfer mehr oder weniger große Zerstörungen, so Knittlingen 1632. Bereits im Jahr 1622 hatte es im heutigen Enzkreis die Dörfer Ölbronn und Königsbach getroffen. Viele Menschen wurden Opfer der oft grausam vorgehenden Truppen aller Kriegsparteien, weitaus mehr noch kamen jedoch durch Seuchen und Hunger zu Tode.
Im Mittelpunkt steht die Auswertung von weitgehend unbekannten Primärquellen staatlicher Archive sowie der Kirchenbücher als bevölkerungsgeschichtlichen Quellen. Die konfessionellen Gegensätze werden vor allem anhand der Klöster und ihrer Territorien (Maulbronn, Herrenalb) thematisiert. Einen wichtigen Part nimmt die ebenfalls bislang unerforschte Geschichte des württembergischen Landgrabens im östlichen und südlichen Enzkreis ein. Aufbauend auf Bilanzen zum Bevölkerungsrückgang und Gebäudeverlusten wird auch die Wiederaufbauphase nach den Westfälischen Friedensschlüssen thematisiert, die schon bald durch die Kriege Ludwigs XIV. unterbrochen wurde.
Doch woher wissen wir eigentlich, wie das Leben vor vierhundert Jahren aussah? Der Zugang zu schriftlichen Quellen, die neben musealen Objekten in der Ausstellung zu sehen sind, ist schwierig: Wenige Menschen können heute die alten Schriften lesen, auch der Zugang zu den Originalen ist vermeintlich schwer. Während kunsthistorische oder archäologische Objekte in zahlreichen Museen der Öffentlichkeit präsentiert werden, ist das Ausstellen von „Schrift auf Papier“ oft weniger zugänglich. Abhilfe möchte daher in der Ausstellung ein spielerisches Element schaffen: Ausgesuchte Archivalien erhalten eine Sprechblase mit einem kurzen, auffallenden Satz oder einer originellen Frage und starten auf diese Weise selbst die Kommunikation mit den Besuchern. Sie sollen neugierig machen, den Besucher anhalten und auch die Hemmschwelle bei der ausführlicheren Beschäftigung mit den schriftlichen Quellen senken. Gleichzeitig sollen diese „sprechenden Archivalien“ den Fokus auf die Institution „Archiv“ als Aussteller lenken, das als Gedächtnis einer Behörde, aber auch der Gesellschaft, die Historie der eigenen Lebenswelt nachzeichnen möchte. Ein Beispiel dafür ist ein Zeugenverhör in Mühlhausen an der Würm, bei dem der Witwer Simon Sickinger nach dem Krieg aussagte, „daz von der Zeit ahn, alß er denckhen möge, immerdar Krieg geweßen und eß mehrerntheils unordentlich hergangen seye. Man habe denen Soldaten Gelt geben mießen, was sie gewolt haben; jedoch hab ain Baur bald ainen gueten, der andere aber bald einen schlimben gehabt. Es seye alles yber und undter sich gangen.“
(Konstantin Huber und Sabine Drotziger)