erstellt von Kurt Neuweiler im Jahr 2003

 

Höfen an der Enz = Zue dem Hofe

Anno 1376, am 13.Juni, wendet sich der Abt des Klosters Hirsau in einem Brief an den Bischof von Speyer. Darin berichtet er von der Pflicht der Pfarrer von Liebenzell und Hirsau. Sie müssen zu Taufen und Begräbnissen jedes Mal über den Berg ins Enztal gehen, der eine nach Calmbach, der andere nach Wildbad. Dies bedeute aber bei der Unwirtlichkeit der Gegend und der großen Entfernung einen doppelt beschwerlichen Weg. Deshalb möge man dem Kaplan, der an der Kapelle in Wildbad und zu St.Marien in Calmbach Gottesdienste abhält, Messen liest und die Bewohner als Seelsorger betreut, die Vollmacht erteilen für Taufe und Beerdigung; ferner die Erlaubnis, Almosen und Zehnten entgegen nehmen zu dürfen und für seine Bedürfnisse zu verwenden. 

 

Am 26.Juli wird in Speyer dem Bittbrief entsprochen. Auf einem Pergament, mit dem Siegel des Generalvikars versehen, steht unter anderen: Wir ... geben öffentlich zur Kenntnis, (dass) wir dein... Kaplan zu Wildbaden und seinen Nachfolgern... gestatten und mit ordnungsmäßiger Machtbefugnis verwilligen, sowohl als auch jedem einzelnen in Wildbaden, im Dorf Callenbach, und in dem Ort, genannt zue dem hofe ... die Beichte zu hören, die Kinder zu taufen, die Leichen der Verstorbenen in der genannten Kapelle oder auf ihrem Begräbnisplatz zu beerdigen ... Über den Ort, genannt zue dem hofe, ist noch eine Bemerkung hinzugefügt. Sie besagt, dass die Leute dort ihren dauernden Aufenthalt haben, zu genannten Pfarrkirchen gehören und schon seit länger andauernden Zeiten sich hergebrachtermaßen zu ihnen behalten haben. 

 

An welcher Stelle ist nun der Hof zu suchen? Er liegt, von der Förtelbachmündung (Forellenbach) aus gesehen, talaufwärts, vor Hochwasser geschützt, am sonnigen Flachhang. In einer Regeste wird außerdem erwähnt: 1390 steht eine Sägmühle bei des Meyers Hof, auf welcher der Markgraf von Baden sein Holz vom benachbarten Hengstberg sägen läßt. Ist der Bewohner des Hofes zugleich Sägmüller? Warum läßt der Markgraf von Baden gerade hier, am Nord-Ende des Hengstberges, seine Sägmühle errichten? Um der Herrschaft den Nutzen zu mehren. . gleich von zwei Berghängen, nämlich entlang der Enz und denn Förtelbach. In jener Zeit arbeitet gewöhnlich nur ein Mann auf der Sägmühle. Um 1330 wird das erste Wohnhaus hier erstellt, 3 km talabwärts vom Mutterort Calmbach entfernt. 

 

In den nächsten 100 Jahren kommen noch vier Güter hinzu. Die Dorfmark ist jetzt 180 Morgen groß. Es besitzen nur zwei Pächter noch ihr Gut für sich. Bei den übrigen Lehengütern wohnen bis zu drei Familien auf einem Hof. Die Einwohnerzahl hat sich verdoppelt; eine zweite Sägemühle entsteht. 

 

Bauernunruhen und die Reformation erregen auch hier die Gemüter. Schließlich verspürt am zue höfen den 30-jährigen Krieg: Teuerung und damit Hungersnot; geschlagene Schweden und ihre Verfolger tauchen auf; sie rauben, brennen - und bringen die Pest mit. An ihr sterben zum Beispiel 1635 26 Personen in einem halben Jahr. 

 

Bei Kriegsende 1648 sind von 16 Familien noch 12 nachweisbar. Jedoch - trotz Frieden - besteht weiterhin Kriegsgefahr durch die Übergriffe des französischen Königs Ludwig X1V. auf badisches Gebiet. Einquartierung schwäbischer Kreistruppen, Durchmärsche und Plünderung feindlicher Abteilungen folgen aufeinander. Erst um 1700 kehrt Ruhe ein. Doch - was ist übriggeblieben? 10 Bürger mit ihren Familien, 14 leere oder zum Teil unbewohnbare Häuser, von Gestrüpp überwucherte Gärten und Äcker, zerfallene Wasserstuben und Wehre, verwilderte Floßstraßen und zwei Sägemühlen. Aber die Leute verlassen keineswegs den Flecken. Vielmehr erscheinen im Lauf der Jahre sechs neue Familien von auswärts und vom Mutterort. Seit dieser Zeit lassen sich mindestens zwei Gasthäuser nachweisen, die belegen das Höfen eine letzte Etappe vor dem Bad in Wildbad war. 

 

Unter den Zugezogenen ist Hans Jakob Bodamer, ein junger Floßknecht aus Calmbach. Er und seine Ehefrau sind zunächst arm. Doch mit genauester Sparsamkeit und unermüdlichem Fleiß bei härtester Arbeit konnte er ein großes Vermögen erwerben. Er wird schließlich Schiffer und verflößt sein eigenes Holz. Bei seinem Tod hinterläßt er sechs Kinder, 13 Enkel und 15 000 Gulden. 

 

Die Friedensjahre bewirken ein Wachstum der Bevölkerung. 1765 werden 23 Bürger gezählt. Ihre Berufe sind: drei Bauern, acht Handwerker, fünf Tagelöhner, drei Hauer, vier Flößer.

 

1769 kommt durch Heirat einer hiesigen Schifferstochter ein Floßknecht aus Engelsbrand ins Dorf: Abraham Krauth. Neben etwas Bargeld im Schnupftuch (23 Gulden und 24 Kreuzer) hat er vor allem Erfahrung im Holzhandel mit dem In- und Ausland. Durch Kenntnisse, Fleiß und Ausdauer wird er schon nach 10 Jahren als Schiffer und Flezer im Kaufbuch aufgeführt. Der Handel mit Holland blüht, da Holz für Schiffsbau und -masten benötigt wird, ferner zur Fundamentierung der Gebäude. Krauth erwirbt unter anderem an der unteren Mühle 100 Schnitte und an der Rotenbacher Mühle einige Anteile.

 

Es ist klar, dass so tatkräftige und erfolgreiche Männer eine Selbstverwaltung der Höfe anstreben. 1777 wird berichtet, dass schon 40 Jahre ein Schulmeister im Dorf sei, jedoch ohne eigenes Schulhaus. 1799 kommt es zur Trennung von Calmbach und Höfen, von Gemeinde und Filial. Von da an werden die Kinder in Höfen unterrichtet. Die Kirche in Calmbach wird jedoch weiterhin gemeinsam benützt. 

 

Im Ort sind um diese Zeit: 1 Schumacher, 5 Leineweber, 2 Becken, 1 Metzger, 1 Schmied, 2 Schilderwirtschaften, 1 Gassenwirtschaft, 1 Krämerei, ferner 15 Flößer und 12 Holzhändler. 1811 werden 92 Kühe gezählt (wobei die Hälfte den Holzhändlern gehörte), weiter 103 Schweine, 10 Geißen, 30 Ochsen und Stiere. Die große Zahl der Zugtiere zeigt, daß man jetzt die Wälder auf der Bergebene nützt. Mittels Lottbaum schleift man die Stämme zum Ries. Auf dieser Rutschbahn gleiten die Hölzer (im Winter) ins Tal hinab zur Einbindestätte oder Sägmühle.

 

Durch die Ablösung von alten Waldrechten erhält die neue Gemeinde 1837 1008 Morgen Wald am Hengst­und Brennerberg. Einige bleiben vorläufig noch am Eiberg erhalten: Viehweide (ohne Geißen), Sammeln von Leseholz, Gewinnung von Stallstreu, Brechen von Bausteinen; doch die Abgabe von Bauholz entfällt ganz. 

 

Aus den neuen Staaten von Amerika dringen Berichte, wie man dort in kurzer Zeit zu Reichtum kommt. Je zwei Männer aus Wildbad und Neuenbürg werben im Enztäler für preiswerte Überfahrten mit vielen Vergünstigungen. So entschließt sich 1828 der Fuhrmann Phil.Fried.Bodamer, mit seiner Frau, acht Kindern und 1500 Gulden auszuwandern. 26 Jahre später verläßt eine Gruppe von 20 Erwachsenen mit 43 Kindern den Flecken. Schlechte Ernteerträge - neunmal hintereinander - lösen eine Hungersnot aus. Durch Kauf von Getreide und Kartoffeln, Verteilen von Brot und Suppen sucht die Gemeinde die Not zu lindern. Jedoch die Werbung der englischen Segelschifffahrtsgesellschaft siegt: Die Gemeinde bezahlt die Überfahrt. Bis 1860 folgen weitere 90 Personen nach (darunter 23 Kinder).

 

1860 berichtet die Oberamtsbeschreibung von Neuenbürg, daß Höfen ein ansehnliches Dorf ist mit zum Teil stattlichen Gebäuden. 400 Einwohner werden gezählt und 57 Häuser. Holzflößerei und Holzfällerei bilden die Haupterwerbsquellen und sichern den rührigen Einwohnern ein gutes Auskommen.

 

Mehrere zum Teil sehr reiche Holzhändler wohnen im Ort. Ein Wandel in der Holzwirtschaft bahnt sich an. Philipp Krauth, der Flößerkönig, erkennt bei seinen Fahrten nach Holland (mit eigenen Flößen), daß jetzt die Kunden mit der Bahn transportiertes Holz aus Bayern kaufen. Er folgert deshalb: Schnittholz herstellen in eigenen, leistungsfähigen Betrieben ! drei hiesige Holzhändler folgen seinem Beispiel: Rehfueß erwirbt die obere Mühle, Leo und Bodamer errichten Neubauten. Die Erben verwirklichen Philipps Gedanken bei der Sägemühle in Rotenbach (Einbau leistungsfähiger Turbinen und Gatter).

 

 Zum Schutz der Sachwerte wird 1876 eine freiwillige Feuerwehr gegründet. 

 

In der Zeit des allgemeines Wohlstandes erhält das Dorf ein Rathaus: Spenden der Sägewerksbesitzer und - teilhaber sowie der Fabrikanten der Pappenfabrik Lempennau tragen zum Bau und zur Ausstattung von Kirche (1894) und Schulhaus (1907) bei. Die Kirche wurde im neugotischen Stil nach Plänen des Münsterbaumeisters von Ulm, Prof. August von Beyer erbaut. 

Hungersnot und Geldentwertung haben die Auswanderung von 31 Personen zur Folge, um sich in Brasilien und besonders in den USA niederzulassen. Daheim wird die Anbaufläche durch Rodung vergrößert. In mühevoller Arbeit - nach Geschäftschluss - werden von den Familien die Neuenäcker angelegt.

Hier lebte auch der als Enztaldichter bekannt gewordene Schloßer Ludwig Schwarz. Neben vielen Gedichten schrieb er den Geschichtsroman: "Aus den Erinnerungen des Burgkaplans von Strubenhart" . 

 

Nach Kriegsende finden 27 Familien mit 65 Personen aus dem Osten und Südosten in unserem Dorf eine neue Heimat; die letzten treffen 1970 ein.

 

 In den fünfziger Jahren wird eine kleine Holzkirche gebaut für die etwas 280 Glieder der katholischen Gemeinde; dazu kommen zur Zeit noch etwa 50 Ausländer.

 

 Um den Kindern des 5. bis 8. Schuljahres den Besuch von Jahresklassen zu ermöglichen, besuchen sie seit 1966 die Nachbarschaftsschule in Calmbach, vorerst 20 Jahre lang. Ein Teil der hiesigen Volksschule ist also nach einer Trennung von 230 Jahren - zum ehemaligen Mutterort zurückgekehrt.

 

 Die Gemeinde lehnt 1972 einen Zusammenschluss mit Wildbad ab (mit 93,5 % der abgegebenen Stimmen bei der Bürgeranhörung).

 

Das schöne Dorf - seit 1970 Luftkurort - mit Holzverschalhäusern und bunten Gärtchen zwischendurch, der hübsche Park und das verträumte Enzufer, die stillen Bergwälder ringsum - sie alle laden zum Verweilen ein.

 

Die Holzverarbeitung ruht nahezu. Von den vier Sägemühlen zeigen nur noch Wehre den Standort der oberen und unteren Mühle an. Beide gehörten zum Rotenbachwerk der Firma Krauth & Co., das 1950 als größtes Sägewerk Württembergs gilt (mit Paternoster, Bauholz-Doppelbandsägen, Hochleistungsgattern mit bis zu 24 Sägeblätter ...), ein Zimmergeschäft, eine Bau- und Möbelschreinerei und zwei Holzverarbeitungsbetriebe sind noch im Dorf.

 

Die Landwirtschaft - hier Viehzucht - ist aufgegeben. von den großen Wiesen im Tal werden die Simonswiesen als Sportplatz genutzt; die Weikerei dient als Campingplatz (36 000 qm), die Lauppenwiesen und jene im Förteltal sind besiedelt, die Gräfenau ist größtenteils als Industriegebiet ausgewiesen.

 

Heute steht die Metallverarbeitung im Vordergrund: Herstellung von Präzisionsteilen (auch aus Plastik) und deren Montage, hier und in Calmbach.

 

Um 1900 kamen die ersten Gäste zur Erholung in unser Dorf. Den Anreiz zu mehr Bewegung im Freien bieten heute unter anderem ein beheiztes Freibad (22-26' C) mit Massagepilz, eine Boccia- und Minigolfanlage, ferner das große Wegenetz in den Wäldern.

 

 

Joomla templates by a4joomla